So weit so gut gibt uns Wikipedia Auskunft. Zieht sich doch das Opfer durch die Mythologie und Religion der Menschheit wie ein - bedenkt man die Opferung von Lebewesen im wahrsten Wortsinn – roter Faden. Man gab der Gottheit, um etwas zu erhalten. „Do ut des“ (lat. „ich gebe, damit du gibst“) nennen es die Religionswissenschaftler.
Doch ist dieser „Deal“ nicht nur eine plumpe Bestechung? Oder ein abergläubisch-magischer Akt, um den natürlichen Lauf der Dinge zu beeinflussen?
Ist es nicht unfassbar naiv, archaisch und grausam ein Tier für eine heilige Gefälligkeit zu töten? Oder gar einen geliebten Menschen, damit die Sonne weiterhin aufgeht oder man seinem Gott die Treue beweist?
Ist Prometheus ein schlechter Charakter, weil er die (fast) allmächtigen Götter zugunsten der Menschen betrog?
Hatten unsere Ahnen ein anderes Verständnis für diesen Begriff, den wir überwiegend durch die christliche Perspektive kennen lernten? Wie steht man heute zu einem Gott, der Abraham so grausam in seinem Glauben testet und wie versteht ein Verehrer der alten Götter wie Odin odere Tyr den Opfertod Jesu?
Andreas Mang freute sich darauf, mit uns diese spannenden Fragen diskutieren und uns zu Beginn einen Einblick und eine praktische Umsetzung dieses Themas aus der Sichtweise eines „aufgeklärten Heiden“ geben. Wir lernten die Arten eines Opfers kennen, wie das Schlachtopfer (u.a. in den Religionen der Antike) , Gabenopfer, Vernichtungsopfer (z.B. die Zerstörung feindlicher Waffen), mit Opfern verbundene Eid- und Bündnisrituale und die Götterbewirtung (Theoxenie). Die Motivation der Opferung hängt stark von den jeweiligen Gottesvorstellungen ab und kann eine Art Handel mit den Göttern für Zukünftiges sein (do ut des), auch eine Danksagung für Geschehenes, die Bekräftigung eines Vorhabens und / oder ein fester Bestandteil des Rituals als symbolischer Akt.
Andreas fasste seine Haltung zu diesem umfassenden Begriff wie folgt zusammen:
„Das Opfer ist Symbol für den Umstand, dass es nichts im Leben umsonst gibt. Ein ritueller Umgang mit diesem Fakt setzt den Opfernden in anderen geistigen Zustand bezüglich der erwünschten Auswirkungen, z.B. um sich selbst gestellte Aufgaben besser erfüllen zu können. Das Opfer an sich hat also durchaus einen positiven Effekt, funktioniert aber nicht auf einem abergläubischen Wege, wie ihn vielleicht andere Religiöse, Andersgläubige oder Atheisten diagnostizieren würden. Nichtsdestotrotz kann man hier – je nach Gottesvorstellung – göttliches Wirken identifizieren, sodass auch unter diesem Aspekt die Sinnhaftigkeit des Opferrituals gegeben ist.“
Wir führten eine intensive Diskussion bis weit nach dem offiziellen Ende bis in den späten Abend fort. Jüdische und Bahai-Perspektiven ergänzten die christliche und heidnische Ansicht des religiösen Opfers. So sprachen wir über das Schächten von Tieren und die ursprünglich sakrale Bedeutung des Stierkampfes, über den Versuch, durch schamanistisch-magische Rituale furchtüberwindende Orientierung, Ordnung und Berechenbarkeit in eine an sich feindliche Natur zu erhalten bis hin zu zeitgemäßen „Opfer-Traditionen“ und deren Abläufen.
Es war ein für alle überaus bereichernder und lehrreicher Austausch über eine uralte Praxis, die meistens sehr einseitig gesehen und dadurch missverstanden wird. Darüber hinaus freuten wir uns über drei neue Teilnehmer.