Joseph Campbell
Joseph Campbell
(1904 - 1987) |
Joseph Campbell gilt neben Carl Gustav Jung, Robert von Ranke-Graves, Mircea Eliade und Heinrich Zimmer als bedeutender Mythenforscher des 20. Jahrhunderts. Beeinflusst vor allem durch Jung, Zimmer, Nietzsche und Schopenhauer, aber auch von Autoren wie James Joyce und Thomas Mann, in deren Werken er den Geist des Mythos auf zeitgemäße Weise vergegenwärtigt sah, entwickelte er eine populäre Sichtweise von Mythologie, Religion und den von diesen verwendeten Symbolen.
Campbell war Professor und Autor zahlreicher Werke über Mythologie. |
Die Heldenreise |
Das Konzept des „Monomythos“, das er in seinem Buch „Der Heros in tausend Gestalten“ 1946 vorstellte, ist bekannter unter dem Namen „Heldenreise“ oder „Quest“. In den Zusammenkünften des MRT-Essen wird darauf immer wieder Bezug genommen. Der Drehbuchautor Christophe Vogler vereinfachte den Monomythos in folgende Unterteilung in 12 Stufen:
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Campbells Leben |
Joseph John Campbell wurde am 26. März 1904 in White Plains, NY geboren.
Joe, wie er genannt wurde, war das erste Kind des bürgerlichen, katholischen Ehepaares Charles und Josephine Campbell. Joes frühesten Jahren weitgehend unauffällig, dann aber, als er sieben Jahre alt war, besuchte er zusammen mit seinem Vater und jüngerem Bruder Charlie die Wild West Show des legendären Buffalo Bill. Der Abend war ein Höhepunkt in Joe's Leben, denn obwohl die Cowboys eindeutig die Stars waren, war er »fasziniert und ergriffen vom Indianer, mit dem Ohr am Boden lauschend, Pfeil und Bogen in der Hand, und mit dem wissenden Blick über besondere Kenntnisse.« Es war Arthur Schopenhauer, dessen Schriften Campbell später stark beeinflussten, der feststellte: »...Daher werden die Erfahrungen und Bekanntschaften der Kindheit und frühen Jugend nachmals die stehenden Typen und Rubriken aller spätern Erkenntnis und Erfahrung, gleichsam die Kategorien derselben, denen wir alles Spätere subsumieren, wenn auch nicht stets mit deutlichem Bewußtsein. So bildet sich demnach schon in den Kinderjahren die feste Grundlage unserer Weltansicht, mithin auch das Flache, oder Tiefe, derselben: sie wird später ausgeführt und vollendet; jedoch nicht im wesentlichen verändert.« So erging es auch dem jungen Joseph Campbell. Während er aktiv bis Mitte zwanzig den Glauben seiner Vorfahren praktizierte, sehnte er sich nach der indianischen Kultur und seine Weltsicht war wohl durch die dynamische Spannung zwischen diesen beiden mythologischen Perspektiven geprägt. Auf der einen Seite, war er tief eingetaucht in die Rituale, Symbole und der reichen Traditionen seines irisch-katholischen Erbes, auf der anderen, war er völlig fasziniert vom »primitiven« bzw. Ur-Menschen, der durch unmittelbare Erfahrung Zugang hatte zum transzendenten und ewigen „Mysterium tremendum et fascinans«. Im Alter von zehn hatte Joe jedes Buch über Indianer in der Kinder-Abteilung seiner örtlichen Bibliothek gelesen und bekam danach Zugang zur Erwachsenen-Abteilung, wo er schließlich die gesamten mehrbändigen Berichte des Bureau of American Ethnology durchlas. Er gründete seinen eigenen »Stamm« (namens »Lenni Lenape« nach dem Delaware Stamm, der ursprünglich den Großraum New York bewohnte), und besucht das American Museum of Natural History, wo er von Totems und Masken fasziniert war; der Beginn einer lebenslangen Erforschung dieser riesigen Sammlung. Nachdem er sich einen Großteil seines dreizehnten Lebensjahres von einer Erkrankung der Atemwege erholen musste, folget ein kurzer Aufenthalt in Iona, einer Privatschule in Westchester NY, bevor seine Mutter Joe in Canterbury, einem katholischen Internat in New Milford CT anmeldete. Seine High-School-Jahre waren lehrrreich und fruchtbar, wenn auch von einer großen Tragödie geprägt: im Jahr 1919 wurde das Haus der Campbells durch ein Feuer vernichtet, in dem seine Großmutter umkam und der gesamte Familienbesitz in Rauch aufging. Joe graduierte in Canterbury 1921 und begann sein Studium im folgenden September auf dem Dartmouth College. Enttäuscht vom dort herrschenden sozialem Klima und einem Mangel an akademischer Strenge, wechselte er zur Columbia University, wo er brillierte: während seiner Spezialisierung in mittelalterlicher Literatur, spielte er in einer Jazz-Band und wurde ein Star-Läufer. Im Jahr 1924, freundete er sich während einer Atlantiküberquerung nach Europa mit Jiddu Krishnamurti an, dem jungen auserwählten Messias der Theosophischen Gesellschaft. Nach Abschluss an der Columbia (1925) und des Master of Arts (1927) für seine Arbeit in Forschungen über König Arthus, wurde Joe gefördert, um seine Studien an der Universität von Paris (1927-28) fortzuführen. Dann, nach einem abgelehnten Angebot an seiner High School zu lehren, reiste nach Deutschland, um an der Universität München (1928-29) weiter zu lernen. Während dieser Zeit in Europa traf Joe auf die Welt der neuen Stömungen in Kunst und Literatur. Er lernte die Werke, des Bildhauers Antoine Bourdelle kennen, die von Pablo Picasso und Paul Klee, James Joyce und Thomas Mann, Sigmund Freud und Carl Gustav Jung, dessen Kunst und Einsichten seine Arbeit stark stark beeinflussen sollten. Diese Begegnungen brachten ihn zu der Erkenntnis, dass alle Mythen als kreative Produkte der menschlichen Psyche entstehen, dass Künstler die Schöpfer von Mythen einer Kultur sind und Mythologien kreative Manifestationen der Menschheit, universell und notwendig, um psychologische, soziale, kosmologischen und spirituellen Realitäten zu erklären. Als Joe im August 1929 aus Europa zurückgekehrt, befindet er sich an einem Scheideweg, unfähig herauszufinden, was er mit seinem Leben anfangen soll. Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise fand er sich ohne Hoffnung auf eine Lehrerstelle und so verbrachte er in den nächsten Jahren die meiste Zeit damit seine Familie zu besuchen und alte Bekanntschaften zu erneuern. Er las viel und führte Tagebuch. Nach der erfolglosen Bewerbung als Lehrer an der Columbia, entschied er sich 1931 wie viele andere eine Reise durch die Staaten zu unternehmen, um sein Land besser kennen zu lernen, die »Seele Amerikas« zu entdecken und einen neuen Lebenssinn zu finden. Im Januar 1932, als er Los Angeles verließ, wo er russisch studiert hatte, um »Krieg und Frieden« im original zu lesen, schrieb er über seine Zukunft in seinem Tagebuch: »Ich beginne zu glauben, dass ich ein Talent habe wie ein Ochse an über völlig irrelevante Themen zu arbeiten. ... Ich verspüre das quälende Gefühl, nie irgendwo anzukommen, aber wenn ich mich hinsetze und versuche herauszufinden, wo mein Platz ist, fühle ich mich verloren.. Die Vorstellung ein Professor zu werden erfüllt mich mit Gänsehaut. Ein Leben damit zu verbringen mir selbst und meinen Schülern einzureden, dass das, was wir suchen in Büchern zu finden ist! Ich weiß nicht, wo es ist, aber ich fühle nun ziemlich sicher, nicht in Büchern! - Es ist nicht im Umherreisen. - Es ist nicht in Kalifornien. - Es ist nicht in New York. ...Wo ist es? Und was ist es schliesslich?« Seine Reisen führten ihn in den Norden nach San Francisco, dann wieder nach Süden bis nach Pacific Grove, wo er den größten Teil des Jahres in der Gesellschaft von Caroline und John Steinbeck und dem Meeresbiologen Ed Ricketts verbrachte. Während dieser Zeit schrieb er, entdeckte die Gedichte von Robinson Jeffers, las Oswald Spenglers »Untergang des Abendlandes«, und bewarb sich erfolglos an etwa siebzig Hochschulen und Universitäten um ein Lehramt. Schließlich erhielt er einen Lehrauftrag an der Canterbury School. Er kehrte zurück an die Ostküste, wo er dann ein trauriges Jahr als Erzieher ertrug, mit dem eingzigen Lichtblick seine erste Kurzgeschichte an das Liberty-Magazin verkauft zu haben. 1933 zog er in ein Ferienhaus ohne fließendes Wasser auf Maverick Road in Woodstock NY, wo er ein Jahr lang nur las und schrieb. Schließlich wurde ihm eine Stellung in der Literatur-Abteilung des Sarah Lawrence College angeboten, das er für 38 Jahre behalten sollte. Im Jahr 1938 heiratete er eine seiner Studentinnen, Jean Erdman, die eine bedeutende Persönlichkeit im aufstrebenden Bereich des modernen Tanzes werden sollte, zunächst als Startänzerin in der Truppe um Martha Graham, später als Tänzerin und Choreographin ihrer eigenen Unternehmens. Trotz oder gerade wegen seiner Lehrtätigkeit entfalteten sich nun glückliche neue Möglichkeiten in Joseph Campbells Leben. Im Jahr 1940 wurde er von Swami Nikhilananda angeworben, um ihm bei einer Neuübersetzung der Schriften Sri Ramakrishnas (veröffentlicht 1942) zu unterstützen. Anschließend machte Nikhilananda Joe mit dem Indologen Heinrich Zimmer bekannt, einem Mitherausgeber der »Bollingen Foundation«. Diese von Paul und Mary Mellon gegründete Stiftung, um Bildung und Forschung in den freien Künsten, der Wissenschaft und Kultur zu fördern, war in Begriff ein ehrgeizige Publikation zu starten: die Bollingen-Reihe. Campbell wurde eingeladen, Einführung und Kommentar zur ersten Bollingen-Veröffentlichung zu verfassen. Als Zimmer unerwartet 1943 mit 52 starb, fragten seine Witwe Christiana und Mary Mellon Joe, ob der die Veröffentlichung seiner unvollendeten Werke betreuen möchte. Joseph Campbell bearbeitete, vervollständigte und publizierte schließlich vier Bände aus Zimmers Nachlaß. Gleichzeitig schrieb er für die Bollingen-Reihe über die Grimmschen Märchen und als Co-Autor mit Henry Morton Robinson eine Einführung in James Joyces komplexen Roman »Finnegans Wake« (1944). Seine erste großes eigenständiges Werk war dann »Der Heros in tausend Gestalten« (Bollingen Series XVII: 1949), das mit zahlreichen Anerkennung und Ehrungen ausgezeichnet wurde. In dieser Studie über den Mythos des Helden, verwendet Campbell den Begriff des »Monomythos« für ein universelles Muster, das die Essenz und Gemeinsamkeiten der Heldengeschichten in jeder Kultur bezeichnet. Darüber hinaus definiert Campbell die einzelnen Stationen dieser Heldenreise (Quest), die sich nicht nur auf das Individuum, sondern als Metaphern auf eine ganze Kultur übertragen lassen. Das Buch hat bis heute einen immensen Einfluss auf Generationen von Künstlern von den abstrakten Expressionisten in den 1950ern bis zur zeitgenössischen Filmemachern wie George Lucas, der Joseph Campbells Erkenntnisse erstmals bewusst in seinen Geschichten berücksichtigte. Campbell verfasste schließlich zahlreiche Artikel und weitere Bücher, darunter die vierbändige Reihe »Die Masken Gottes«. Auch als Verleger war er sehr erfolgreich und publizierte u.a. Werke von Karl Kereny, Allan Watts und C. G. Jung, sowie sechs Bände der Eranos-Jahrbücher. Aber den größten Erfolg hatte Joseph Campbells als Redner und sein Publikum liebte die Art seiner mitreißenden Vorträge. Er war ein begnadeter Geschichtenerzähler - intelligent, leicht verständlich, ungeheuer belesen und voller Humor. In den folgenden Jahren wurde er immer öfter zu Vorträgen an verschiedenen Orten zu verschiedenen Themen eingeladen. So sprach er 1956 am State Department's Foreign Service Institute über zwei Tage ohne Manuskript. Erste Vorlesungen an Esalen-Institut folgten. Jedes Jahr kehrte er anschliessend nach Big Sur zurück, um seine neuesten Gedanken, Einsichten und Geschichten zu teilen. Seit 1972 im Ruhestand widmete er sich nun völlig dem Schreiben und ging auf zahlreiche Vortragsreisen. Im Jahr 1985 wurde Campbell vom »National Arts Club« mit der Ehrenmedaille in Gold für Literatur ausgezeichnet. Bei der Preisverleihung bemerkte James Hillman: »Niemand in unserem Jahrhundert, nicht Freud, nicht Thomas Mann, nicht Levi-Strauss, hat uns den Sinn und zeitlose Bedeutung des Mythos wieder so in unserer alltägliches Bewusstsein gebracht.« Joseph Campbell starb unerwartet am 30. Oktober 1987 in Honolulu nach einem kurzen Kampf mit dem Krebs. Ein Jahr später fanden seine Ideen ein Millionenpublikum, als der Sender PBS unter dem Titel »The Power of Myth« Interviews ausstrahlte, die Campbell mit Bill Moyers in den letzten Jahren auf der Skywalker-Ranch führte. Das Magazin Newsweek bezeichnete in einem Nachruf Campbell als »einen der aussergewöhnlichsten Intellektuellen des amerikanischen Lebens. Ein tiefer Denker, der auch von der Öffentlichkeit hoch geschätzt wurde.« Quelle: Joseph Campbell Foundation |